Produktiver und zufriedener im Office
Produktiver und zufriedener im Office
Ralf Westphal und Andrea Kaden
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Vorwort zur 1. Auflage

Wenn Ihnen die Arbeit über den Kopf wächst, wenn Sie Aufgaben nur noch husch-husch und unterhalb Ihres Qualitätsanspruchs erledigen, wenn Sie wichtige, ja, strategische Dinge immer wieder aufschieben… dann geht es Ihnen wie vielen Menschen am Arbeitsplatz.

Das könnte Ihnen ein kleiner Trost sein; Sie haben unzählige Leidensgenossen. Besser wird Ihr Los dadurch aber nicht. Auch die Frage, wie es dazu in epidemischem Ausmaß in Unternehmen hat kommen können, ist schwierig bis müßig. Eine Antwort darauf brächte auch noch keine unmittelbare Verbesserung. Interessant ist eher, ob es einen pragmatischen Lösungsansatz gibt. Was können Sie persönlich und konkret tun, um sowohl produktiver wie auch zufriedener zu werden? Wie können Sie lösungsorientiert an das Problem herangehen?

Dazu möchten wir Ihnen einige Vorschläge machen, die sich für mich als hilfreich erwiesen haben. Jeden dieser Tipps können Sie allein umsetzen, ohne einen Vorgesetzten oder Kollegen um Erlaubnis zu bitten. Sie selbst sind ganz Lenker Ihres Produktivitätsschicksals – was in sich schon ein erster Baustein zu mehr Zufriedenheit ist. Denn die steigt mit Ihrer Autonomie. Die Kontrolle zu übernehmen, sich nicht mehr ausgeliefert fühlen, das hat hohen Wert. Umso höher ist der, je mehr Sie sich unter Druck fühlen.

Über Tipps hinaus soll es allerdings auch um etwas „Theorie" gehen. Sie sollen ja nicht einfach treu glaubend etwas tun, sondern verstehen, warum wir meinen, dass es nützlich ist. Das hilft auch beim Transfer der allgemeinen Vorschläge in Ihre konkrete Arbeitsplatzpraxis.

Andrea Kaden & Ralf Westphal, 2013 / Hamburg

Vorwort zur 2. Auflage

In Zeiten des Internet scheint alle Information nur von kurzer Relevanz zu sein. Und so hatten wir unserer Zusammenfassung von Blog-Beiträgen mit einigen Tipps für eine produktivere und entspanntere Arbeit im Office im Jahr 2013 auch keine allzu dauerhafte Bedeutung beigemessen. Aus den Texten im Internet ein Buch zu schnüren, war damals ein interessantes kleines Projekt, mehr jedoch kaum.

Nach nunmehr acht Jahren bemerken wir jedoch, dass das, was wir damals zusammengetragen hatten, einen unerwarteten Langzeitwert hat. Die Themen, um die es geht, sind quasi Dauerbrenner. Es hat eben nicht gereicht, darüber einmal zu schreiben und zu glauben, dann würden diese Tipps schon Einzug halten in den Office-Alltag. Vielmehr scheint sich im Grunde nichts geändert zu haben. Auch heute noch ist es nötig, diese Tipps zu geben; die Zahl der überraschten Gesichter hat nicht abgenommen über die Jahre.

So haben wir uns entschlossen, das Büchlein wieder aufzulegen, allerdings nur noch in digitaler Form. Damit kann es jeder auf dem Smartphone als eBook in der Taschen haben und zwischendurch darin stöbern.

Andrea Kaden & Ralf Westphal, 2021 / Bansko, Bulgarien

Tipp #1: In Kreisen arbeiten

Unser erster Tipp kommt eher klein daher. Er hat nichts mit Veränderungen an Ihrem Arbeitsplatz zu tun. Er lautet schlicht: Gehen Sie die Veränderung Ihrer Arbeitsweise systematisch an.

Sie haben bestimmt etwas anderes erwartet, etwa: „Schaffen Sie sich 43 Ordner an, einen für jeden Tag des Monats und einen für jeden Monat. Damit organisieren Sie als erstes Ihre Wiedervorlage."

Tatsächlich mag eine solche Ordnerparade hilfreich sein – doch sie sollte nicht am Anfang der Maßnahmen stehen, mit denen Sie produktiver und zufriedener werden wollen. Denn wie finden Sie heraus, ob diese oder eine andere Maßnahme überhaupt hilft? Wenn Sie eines vermeiden wollen, dann ist das ja, Ihre wertvolle Zeit mit Werkzeugen und Methoden zu füllen, die mehr behindern als nützen.

Deshalb muss am Anfang aller Verbesserung eine systematische Vorgehensweise stehen. Ohne ein Minimum an Systematik besteht große Gefahr, dass Sie sich wieder verzetteln, diesmal in Maßnahmen, die Sie eigentlich daraus befreien sollten. Solche paradoxe Situation sollten Sie also vermeiden.

Aber keine Angst! „Systematisch vorgehen" hört sich schlimmer an, als es ist. Doktortitel oder auch nur Studium sind dafür nicht nötig. Eigentlich reicht gesunder Menschenverstand. Denn der sagt, dass man nicht ständig arbeiten kann. Es braucht auch Zeiten der Ruhe.

Der erste Schritt auf dem Weg zu mehr Produktivität ist also eine Grenzziehung, die vom grenzenlosen „Wegschaffen", ein „Innehalten" abtrennt. Ja, Sie sollen bewusst Raum während Ihrer Arbeitszeit schaffen; seien Sie nicht ständig im Feuerwehrmodus.

Mit dem Raum zum Innehalten meinen wir allerdings nicht die Mittags- oder Raucherpause und auch nicht den Plausch, der sich unvermeidlich doch in der Kaffeeküche einstellt. Es geht um geplanten Abstand von der Arbeit.

Rhythmisieren Sie Ihre Arbeit. Unterbrechen Sie Ihre Arbeit systematisch, d.h. bewusst und regelmäßig durch Innehalten. Das ist der erste notwendige Schritt zur nachhaltigen Verbesserung Ihrer Arbeitssituation.

Innehalten ist natürlich ein recht vager Begriff. Was sollen Sie denn tun in diesem Innehalten, wenn Sie sich schon Zeit freischaufeln vom Wegschaffen? Eine Zeit echter Pause in Stille wäre schon gut. Wenn Sie wollen, fangen Sie damit an. Doch damit verändern Sie noch nichts an Ihrem Modus des getriebenen Wegschaffens, der Sie ja eigentlich drückt.

Der zweite Schritt zur Verbesserung besteht deshalb darin, das Innehalten zu füllen mit Reflexion. Die Reflexion soll dazu dienen, zu überdenken, wie Sie eigentlich vor dem Innehalten weggeschafft haben. Stellen Sie sich Fragen wie diese:

  • Was habe ich getan?
  • Wie habe ich das getan?
  • Mit welchem Erfolg habe ich es getan?
  • Was könnte ich verbessern?
  • Was hatte ich mir vorgenommen zu verbessern?
  • Haben die Verbesserungsmaßnahmen das gewünschte Ergebnis gezeitigt?

Der gesunde Menschenverstand sagt, man kann nicht immer aktiv sein, sondern braucht zwischendurch Ruhe. Deshalb schlafen wir jede Nacht. Und wenn Sie zuwenig Schlaf bekommen, dann merken Sie das schon bald sehr deutlich. Ihrer Produktivität und Zufriedenheit ist das nicht zuträglich.

Anders als man meinen könnte, sind Körper und Geist während des Schlafes allerdings nicht passiv. Im Gegenteil! Es passiert viel, während wir schlafen [1, 2]. Vom Träumen einmal abgesehen. Ihr Körper regeneriert sich. Ihr Gehirn verarbeitet die Tageseindrücke. Ohne Schlaf kein Lernen. Wir brauchen die Integrationsleistung des Gehirns während des Schlafes, das Neues mit Bekanntem verknüpft.

Und genauso meinen wir es mit dem Innehalten zur Reflexion. Sie sollen sich regelmäßig Zeit nehmen, in Ruhe über Ihre Arbeitsweise nachzudenken. Das ist keine Problemlösung im Sinne irgendeiner Ihrer Aufgaben, sondern schwebt sozusagen darüber. Es geht um das Nachdenken darüber, wie Sie Aufgaben im Allgemeinen bewältigen.

Bisher machen und machen und machen Sie; Sie schaffen weg. Jetzt sollen Sie regelmäßig eine Pause im Machen einlegen und über Ihr Machen nachdenken. Nehmen Sie Abstand. Das ist die Bedingung für die Möglichkeit jeder bewussten Verbesserung. Erst das reflektierende Innehalten macht nämlich aus etwaigen Verbesserungsmaßnahmen überhaupt bewusste.

Konkret empfehlen wir Ihnen, jeden Tag 10-15 Minuten zu reflektieren. Und jede Woche einmal 45-60 Minuten. Damit kommen Sie in eine „Kreisbewegung". Deren Phasen sind:

  • Agieren (Wegschaffen)
  • Analysieren (Fragen stellen)
  • Korrigieren (Verbesserungsmaßnahmen planen)

Es handelt sich sozusagen um einen kleinen Bruder vom Demingkreis [3]. Das heißt, Sie durchlaufen immer wieder dieselben Phasen aus Agieren-Analysieren-Korrigieren-Agieren-Analysieren-Korrigieren-Agieren-Analysieren-Korrigieren-usw. Jeder Tag ist ein kleiner Kreis, jede Woche ein größerer.

Und wenn Sie wollen, können Sie auch noch größere Kreise darum legen. Mit einem Kollegen ziehen wir uns zum Beispiel jedes Jahr zu einem Retreat zurück, während dem wir über die vergangenen 12 Monate reflektieren.

Wenn Sie einen „managementtauglichen" Namen für solche Reflexionspause brauchen, dann nennen Sie sie Retrospektive [4]. Das ist ein Begriff, der sich in der Softwareindustrie dafür eingebürgert hat.

Beginnen Sie Ihren Weg zu höherer Produktivität und Zufriedenheit also mit Retrospektiven. Übernehmen Sie als erstes ein wenig Kontrolle über Ihre Zeit. Gehen Sie für kurze Dauer auf Distanz zum Tagesgeschäft. Schaffen Sie Raum, in dem Sie sich kritisch betrachten – aber auch loben. Ja, das finden wir wichtig. Nehmen Sie sich Zeit, positive Effekte Ihrer Veränderungsmaßnahmen zu feiern. Auch dafür braucht es einen Moment des Abstands.

Das ist die minimale Systematik, die wir für nötig halten, wenn Sie produktiver und zufriedener werden wollen. Nur so entsteht so genannte Deliberate Practice [5]. Eine Viertelstunde pro Tag, eine Dreiviertelstunde pro Woche, sollte es Ihnen wert sein, Ihre Arbeitsweise zu verbessern.

Maximal 5% Ihrer Zeit reichen für die Reflexion aus. Damit nehmen Sie ein Steuerrad in die Hand, um sich aus dem „Chaos" heraus zu manövrieren.

Aber ist das nicht paradox? Sie wollen produktiver werden, d.h. mehr schaffen in Ihrer Arbeitszeit, und wir empfehlen Ihnen als erstes, davon 5% für eine Reflexion abzutrennen?

Nein, das ist nicht paradox. Paradox oder kontraproduktiv wäre es nur, wenn Sie Ihre Arbeit schon optimal verrichten würden. Wenn es nicht mehr besser ginge, dann würde jede Reduktion der Arbeitszeit zu einem Verlust an Leistung führen.

Ihr Problem ist ja aber – sonst würden Sie dies nicht lesen –, dass Sie nicht so produktiv sind, wie sie sein möchten oder glauben, sein zu können. Da ist also noch Raum für Verbesserung. Doch was können Sie tun, um besser zu werden, d.h. effizienter und effektiver – und am Ende auch noch zufriedener?

Eine Antwort auf diese Frage finden Sie nicht im Schlaf. Sie können Sie auch nicht einfach kaufen. Mit diesen Tipps wollen wir Ihnen gern helfen – doch wir können Ihnen nicht abnehmen, sie umzusetzen. Ihre Arbeit müssen Sie weiterhin selbst machen.

Weil nun aber die Umsetzung nicht einfach so aus dem Stand funktioniert und weil womöglich nicht einmal klar ist, was Ihr größtes Hindernis auf dem Weg zu Ihrem Ziel ist, müssen Sie sich Zeit nehmen, genau darüber nachzudenken und Ihren Weg immer wieder zu korrigieren. Dafür sind die 5% Reflexionszeit gedacht. Haben Sie also keine Angst, wir würden Ihnen damit wertvolle Zeit stehlen. Im Gegenteil! Retrospektiven sind die Voraussetzung dafür, dass Sie aus den anderen 95% Ihrer Arbeitszeit das Maximum herausholen.

Doch wie können Sie nun diese 95% besser nutzen? Wie optimieren Sie Ihr Wegschaffen des Aufgabenberges? Bei der Beantwortung hilft ein kleiner Exkurs in die Psychologie.

Endnoten

[1] planet wissen, Schlafen

[2] Quarks & Co, Phänomen Schlaf

[3] Wikipedia, Demingkreis

[4] it-agile, Retrospektiven

[5] Pervin Shaikh, What is Deliberate Practice?

Multitasking: Illusionäre Gleichzeitigkeit

Es ist ja inzwischen schon sprichwörtlich: Multitasking funktioniert nicht. Als Menschen können wir uns nicht mehr als einer Aufgabe gleichzeitig bewusst widmen. Oder anders: Wir können es versuchen, doch die Ergebnisse bleiben hinter dem zurück, was wir erwarten und auch erzielen könnten, wenn wir uns nur fokussieren würden. Aber was ist Multitasking eigentlich? Und warum klappt es notorisch nicht damit?

Die Unfähigkeit zum Multitasking bedeutet natürlich nicht, dass wir nicht zwei Dinge gleichzeitig tun können. Selbstverständlich können Sie gleichzeitig ein Kaugummi kauen und lesen. Und Sie können auch Musik hören und gleichzeitig die Spülmaschine ausräumen. Sogar Musik hören, Kaugummi kauen und lesen ist möglich.

Doch schon wenn Sie versuchen, an einem Gespräch teilzunehmen und gleichzeitig Notizen darüber zu machen, wird es schwierig. Das erfordert mindestens einige Übung. Und unmöglich wird es, wenn Sie eine wichtige Geschäftsemail schreiben und versuchen, gleichzeitig ein wichtiges Telefonat zu führen. Dann ist es aus mit der Gleichzeitigkeit. Dann können Sie die einzelnen Tätigkeiten nur noch im Wechsel ausüben – auch wenn es Ihnen scheinen mag, als würden Sie alles gleichzeitig tun.

Lassen Sie es uns etwas formaler ausdrücken: Zu jedem Zeitpunkt können Sie sich nur einer Tätigkeit mit Bewusstsein widmen.

Etwas anderes schafft Ihr Gehirn einfach nicht. Echte Gleichzeitigkeit von Tätigkeiten gibt es ausschließlich dort, wo lediglich eine der vielen Tätigkeiten Bewusstheit erfordert.

Natürlich kann in einer solchen Situation die Aufmerksamkeit wechseln. Es mag Ihnen ein Musikstück während des kaugummikauenden Lesens auffallen. Dann horchen Sie hin, merken sich den Titel vielleicht. Anschließend kehren Sie wieder zurück zum Lesen.

Aufgefallen ist Ihnen das Musikstück aber nicht bewusst! Ihr Bewusstsein ist vielmehr einem Impuls aus dem Unterbewusstsein gefolgt und hat sich vom Buch auf das Musikstück umorientiert. Das ist der Job des Unterbewusstseins, Ihre Umwelt ständig zu bewerten, ob da etwas Relevantes passiert – und das ggf. dem Bewusstsein „zu melden".

Und nur so kann es auch funktionieren, wenn Sie „gleichzeitig" einen Geschäftsbrief schreiben und telefonieren wollen. Es geht eben nicht wirklich gleichzeitig, sondern nur zeitversetzt, sequenziell.

Soweit das Grundsätzliche. Aufmerksamkeit kann zu einem Zeitpunkt nur bei einer Tätigkeit sein. Wir denken, zumindest darüber stimmen Sie mit uns noch überein.

Jetzt zum Multitasking. Lesen und Kaugummi kauen wird nicht als Multitasking bezeichnet. Schreiben, danach telefonieren, dann wieder mal schreiben – das ist auch noch kein Multitasking. Nicht jeder Wechsel zwischen Aufmerksamkeit heischenden Tätigkeit qualifiziert sich als Multitasking. Nicht der Wechsel an sich ist entscheidend, sondern seine Frequenz. Erst wenn der Wechsel so schnell erfolgt, dass die Illusion von Gleichzeitigkeit entsteht, kommen Sie in den Multitasking-Modus.

Multitasking ist wie Film: Durch die Aneinanderreihung vieler kleiner Schnipsel soll eine Illusion erzeugt werden. Beim Film ist Bewegung die Illusion. Beim Multitasking ist es die Gleichzeitigkeit mehrerer Tätigkeiten.

Daran ist nichts auszusetzen – wenn Sie sich denn der Konsequenzen bewusst wären und es überhaupt funktionieren würde.

Quasi gleichzeitig, aber langsam

Eigentlich sollte es auf der Hand liegen, trotzdem ist es vielleicht nützlich darauf hinzuweisen: Durch Multitasking dauert alles länger. Auf wenn der Aufwand durch Multitasking nicht steigen sollte, verzögert Multitasking die Fertigstellung.

Aufgaben zu erledigen, dauert eine gewisse Zeit. Am schnellsten geht es, wenn Sie sich einer Aufgabe ohne Pause von Anfang bis Ende voll widmen. Dann können Sie Aufgaben zwar nur nacheinander erledigen, doch jede Aufgabe wird maximal schnell abgearbeitet.

Der Vorteil solch sequenzieller Erledigung: Jede Aufgabe ist frühestmöglich fertig – in der Reihenfolge der Abarbeitung; allemal die erste Aufgabe, die Sie angehen.

Beim (idealen) Multitasking ist es anders. Wie Sie in der folgenden Grafik sehen, dauert zwar keine Aufgabe länger; die Summe der Dauern der „Scheiben", in die sie durch den Aufmerksamkeitswechsel zerlegt wurden, ist gleich der Gesamtdauer wie bei sequenzieller Abarbeitung. Insofern ist die Zeit bis zur Erledigung aller Aufgaben nicht größer.

Doch wann die einzelnen Aufgaben abgeschlossen sind, ist ungewiss. Keine wird ja mehr schnellstmöglich abgearbeitet. Die Zeit von Arbeitsaufnahme bis -ende je Aufgabe ist größer; Sie arbeiten also langsamer in Bezug auf die einzelnen Aufgaben.

Dennoch kann es einen Vorteil durch Multitasking geben: Aufgaben werden früher begonnen. Das bedeutet, Sie können bei Unsicherheit früher Klarheit erlangen. Oder Sie können Wartezeiten, die bei der Abarbeitung entstehen, mit anderen Aufgaben füllen. Oder der Auftraggeber bekommt ein gutes Gefühl, weil Sie sich ihm schneller widmen.

Dieser letzte Punkt ist nicht zu unterschätzen. Denn wer würde einem Auftraggeber nicht lieber sagen „Ich habe schon mit der Aufgabe begonnen!" statt „Ich habe mir dir Aufgabe für in 3 Wochen eingeplant."? Schnelle Abarbeitung ist auch nur ein Wert von vielen, dem Sie dienen können. Ein anderer ist Zufriedenheit des Auftraggebers. Und wenn die womöglich mehr daran hängt, dass Sie schnell beginnen, selbst wenn dadurch nichts schneller wird, dann mag der Multitasking-Modus hilfreich sein.

Doch Vorsicht!

Geschäftig, aber verschwenderisch

Bis hierher haben wir ideales Multitasking beschrieben. Leider ist die Welt jedoch nicht so einfach. Ihr Gehirn kann so nicht arbeiten. Selbst ein Computer kann so nicht arbeiten.

Idealisiert ist die Darstellung nämlich, weil das Umschalten der Aufmerksamkeit anscheinend verlustfrei funktioniert. Nichts könnte jedoch ferner der Realität sein. Vielmehr sieht es so aus beim menschlichen Multitasking:

Beenden können Sie eine bewusste Tätigkeit meist sofort – gewollt, aber besonders ungewollt. Deshalb haben die Balken im Diagramm ein vertikales Ende. Beispiel: Sie konzentrieren sich, während Sie den Kassenbon vom Supermarkt kontrollieren, bilden eine Summe im Kopf – und dann fragt Sie der Kunde hinter Ihnen, ob Sie den Einkaufswagen weiterschieben können. Schon sind sie raus. Die ganze Arbeit der Summation umsonst. Sie müssen noch einmal von vorn beginnen.

Beginnen können Sie eine bewusste Tätigkeit hingegen meist nicht von jetzt auf gleich. Sie brauchen etwas Zeit, um sich einzudenken. Bevor Sie voll produktiv sind, vergeht etwas Zeit. Das ist auch und vor allem so, wenn Sie eine Tätigkeit nach einer Unterbrechung wieder aufnehmen. Waren Sie vor der Unterbrechung noch „im Flow", konzentriert, ganz in der Aufgabe, dann müssen Sie sich diesen Zustand nach der Unterbrechung erst wieder erarbeiten. Wie lange die Anlaufphasen sind, hängt von der Tätigkeit ab. 5 bis 15 Minuten sind aber durchaus normal.

Je mehr Kreativität eine Aufgabe braucht oder je mehr Sie dabei „im Kopf behalten müssen" (Konzentration), desto mehr Zeit brauchen Sie, um wieder hinein zu kommen, d.h. desto flacher die Steigung am Anfang des Tätigkeitsbalkens im Diagramm. Der schwarze Balken drückt es noch krasser aus: Während dieser Zeit sind Sie zwar äußerlich schon wieder bei einer Tätigkeit, doch einfach noch nicht voll bei der Sache. Ihre produktive Zeit in Zufriedenheit beginnt erst danach.

Diese realistischere Sicht auf Ihre Aufmerksamkeit führt nun zu einer sehr unschönen Verschiebung des Multitasking-Bildes:

Multitasking macht nicht nur nichts schneller, sondern sogar alles langsamer. Wenn Sie bei einer Aufgabe, die eigentlich 30 Minuten gedauert hätte, alle 8 Minuten für 2 Minuten unterbrochen werden, sind Sie nicht erst nach 30+3*2=36 Minuten fertig. Nein, es dauert bei einer Anlaufphase von durchschnittlich 3 Minuten sogar 30+3*(2+3)=45 Minuten. Die scheinbar kurzen Unterbrechungen haben zu einer 50%igen Verzögerung geführt.

Die Rechnung fällt umso schlechter für das Multitasking aus….

  • …je kürzer die Wechsel im Verhältnis zu den Anlaufphasen sind und
  • …je kürzer die Aufmersamkeitsspannen im Verhältnis zu den Anlaufphasen sind, d.h. je höher die Wechselfrequenz ist.

Im Multitasking-Modus können Sie also sehr beschäftigt sein – ohne etwas zu schaffen. Je häufiger Sie wechseln, desto weniger schaffen Sie pro Zeiteinheit – und desto erschöpfter sind Sie am Ende des Tages.

In der Informatik hat man einen Begriff dafür: Thrashing[1].Das bedeutet: Leeres Stroh wird gedroschen, wenn zum Beispiel immer wieder unterschiedliche Festplattenbereiche ein-/ausgelagert werden müssen, weil ein Programm beide braucht, aber nicht beide gleichzeitig im Hauptspeicher Platz haben. Dann passiert ganz viel, Bauteile erhitzen sich – aber es kommt unterm Strich wenig heraus.

Wenn Sie es bisher nicht geglaubt haben sollten, dann hoffentlich jetzt: Multitasking hört sich gut an, funktioniert aber nicht wirklich. Und das behaupten nicht nur wir [2, 3, 4]. Ein gewisser, unter Umständen möglicher Vorteil wird schnell aufgefressen durch viele sichere Nachteile.

Endnoten

[1] Computer Hope, Thrashing

[2] Dan Thurmon, The Myth of Multitasking

[3] Tina Groll, Alles gleichzeitig funktioniert nicht, Die Zeit

[3] Spiegel Online, Multitasking: Warum wir nur zwei Dinge gleichzeitig tun können

Tipp #2: Zu jeder Zeit nur eine Aufgabe

Nach diesem Ausflug in etwas Theorie können Sie es sich denken. Mein zweiter Tipp für mehr Produktivität und Zufriedenheit lautet: Fokussieren Sie sich. Behalten Sie Ihre Aufmerksamkeit bei einer Aufgabe, bis die fertig ist. Vermeiden Sie unter allen Umständen Multitasking. Erliegen Sie nicht seinen Sirenenklängen. Nichts wird schneller fertig. Und am Ende ist auch niemand glücklicher, weil Sie sich im hurtigen Wechsel mal diesem, mal jenem widmen. Das sagen nicht nur wir, das sagen auch viele andere [1, 2, 3].

Die sofortige Reaktion auf Unterbrechungen macht nur kurzfristig gute Laune beim Unterbrechenden. Spätestens wenn Sie durch andere Unterbrechungen, die Sie auch zugelassen haben, in Verzug geraten, weil ja mit Multitasking alles länger dauert, ist die gute Laune dahin. Niemand wird dann Verständnis zeigen, wenn Sie vortragen, „Aber ich habe mich nicht ganz auf Ihren Auftrag konzentrieren können. Sie haben mich bei anderem ja auch unterbrochen…"

Wenn Sie dem Multitasking erliegen, weil Sie nicht auf Ihren Fokus achten, oder „durch die Umstände" oder „das System" scheinbar gezwungen werden, dann ziehen Sie immer den Kürzeren.

Deshalb sollte Ihr Motto lauten: Fokus, Fokus, Fokus!

Das bedeutet: Was Sie anfangen, das machen Sie fertig. Ohne Unterbrechung durch andere, noch durch Sie selbst.

Selbstverständlich sollen Sie Pausen machen. Und selbstverständlich sollen Sie nicht 28 Stunden am Stück arbeiten, falls die Abarbeitung einer Aufgabe so lange dauern würde. Ebenso können Sie kaum 100%ig Unterbrechungen/Wechsel vermeiden. Doch Sie sollten sich immer bewusst sein, welchen Preis Sie zahlen, wenn Sie sich unterbrechen (lassen).

Es geht mir um Sensibilisierung. Und wir möchten Ihnen ein Ziel geben, an dem Sie Ihre Praxis messen können. Selbst wenn Sie es nicht erreichen sollten, können Sie feststellen, ob Sie sich ihm annähern.

Das ist eine hübsche erste Aufgabe für Ihre Retrospektiven: Prüfen Sie, wieviel Zeit Sie fokussiert arbeitend verbracht haben. Hatten Sie Phasen von 15, 30, 60 oder gar mehr Minuten ungestörter Arbeit, in der Sie sich konzentriert Ihren Aufgaben widmen konnten? Denn nur dann waren Sie wahrhaft produktiv.

Ich weiß, dass es Ihnen schwer fallen wird, ausgedehntere Zeiträume fokussierter Arbeit einzurichten. Für den Moment soll das jedoch Ihr Anspruch sein. Probieren Sie es. Immerhin haben Sie jetzt Argumentationshilfe an der Hand. Und in den nächsten Wochen erhalten Sie hier noch weitere Tipps für mehr Produktivität und Zufriedenheit.

Tipp #3: Die Arbeit takten

Das übliche Multitasking ist also keine Option für mehr Produktivität oder Zufriedenheit. Es macht sehr geschäftig – dass dadurch aber irgendetwas schneller fertig würde, ist eine Illusion. Von höherer oder auch nur gleicher Qualität wie bei sequenzieller Abarbeitung ganz zu schweigen. Die Geschwindigkeit und Qualität, die Sie erzielen, wenn Sie eine Aufgabe unterbrechungs- und wechselfrei von Anfang bis Ende fokussiert bearbeiten, ist nicht zu toppen. Der für Ihre Arbeit optimale Modus ist also der der sequenziellen Abarbeitung:

Tja, wenn da nicht die Realität wäre… Die spuckt nämlich dem Ideal immer wieder in die Suppe. So richtig es ist, dass Sie sich um Fokus bemühen, sich Raum für konzentrierte Aufmerksamkeit für genau eine Aufgabe schaffen – Sie laufen damit auch gegen Wände. Dennoch haben wir die Fokussierung als Tipp #2 genannt. Sie soll für Sie ein Leitstern sein. Darauf sollen Sie sich zu bewegen. Er zeigt Ihnen an, wenn Sie sich im Tagesgeschäft zu weit in unproduktive Regionen verirrt haben.

Der Polarstern ist dem Navigator eine große Hilfe, erreichen tut er ihn jedoch nie. Genauso werden Sie es kaum schaffen, Ihre Arbeit so zu organisieren, dass Sie Aufgaben vollständig bearbeiten, bevor Sie etwas anderes beginnen. Aber wie geht es denn realistisch mit dem Fokus?

Das Geheimnis eines realistischen Umgangs mit der Notwendigkeit zum Fokus liegt in der Anerkenntnis von Begrenzungen:

» Ihre Aufmerksamkeitsspanne ist begrenzt. Selbst wenn Sie sich 8 Stunden konzentrierten sollten und dürften, schaffen Sie das nicht. Nach 45 oder 90 Minuten brauchen Sie eine Pause.

» Die Zeit zwischen Unterbrechungen ist begrenzt. Selbst wenn Sie sich 8 Stunden konzentrieren könnten, hätten Sie dafür keine Gelegenheit. Sehr wahrscheinlich erleiden Sie alle 10 bis 30 Minuten eine Störung der einen oder anderen Art: das Telefon klingelt, ein Kollege hat eine Frage, der Chef braucht sie ganz dringend.

» Ihre Hoheit über die Erledigung ist begrenzt. Selbst wenn Sie sich 8 Stunden tatsächlich konzentrieren dürften und auch könnten, würden Sie das nur selten ausnutzen können. Viele Aufgaben können Sie einfach nicht allein von Anfang bis Ende erledigen. Lücken in der Aufgabenstellung, sich ergebende Hindernisse oder notwendige Delegation von Teilaufgaben werden Ihren Abarbeitungsfluss stören.

Unterbrechen Sie sich bewusst

Selbst beim besten Willen, können Sie Unterbrechungen nicht vermeiden. Und Sie wollen es auch gar nicht. Deshalb lautet mein Tipp #3: **Bestimmen Sie selbst, wann Sie Ihre Arbeit unterbrechen. ** Nehmen Sie Ihr „Unterbrechungsschicksal" in die Hand. Lassen Sie sich nicht von außen diktieren, wie lange Sie sich auf eine Aufgabe konzentrieren können, sondern unterbrechen Sie sich selbst. Immer wieder. Geplant. In einem angemessenen Takt.

Überlegen Sie einmal: Wenn eine Aufgabe von Anfang bis Ende 4 Stunden Arbeitszeit benötigt, wie realistisch ist es, dass Sie sich so lange auch voll darauf konzentrieren können? Selbst beim besten Willen und ganz ohne äußere Unterbrechungen werden Sie mir voller Aufmerksamkeit maximal 60 Minuten, höchstens 90 Minuten bei der Sache sein können. Wenn Sie danach ohne Pause weitermachen, sinkt ihre Leistung. Dann brauchen Sie für eine Aufgabe, die bei voller Konzentration 4 Stunden gedauert hätte vielleicht 4,5 oder 5 Stunden. Sie selbst merken das vielleicht nicht. Genauso wie ein Betrunkener sich oft noch für fahrtüchtig hält. Wir selbst haben das auch schon ganz deutlich erlebt, als wir nach durchgearbeiteter Nacht mit einer Arbeit nicht voran kamen. Kaum hatten wir ein paar Stunden geschlafen, war die Sache in 20 Minuten erledigt, an der wir uns im Morgengrauen stundenlang abgemüht hatten.

Wenn wir Ihnen empfehlen zu fokussieren, dann meine wir also, dass Sie sich nur für die Dauer Ihrer maximalen Aufmerksamkeit fokussieren sollen. Ist die überschritten, dann machen Sie eine Pause. Unterbrechen Sie sich selbst für einen Moment, um Kraft zu schöpfen. Wie Ihre Pause aussieht, ist Ihnen überlassen. Gehen Sie in die Kaffeeküche, machen Sie Gymnastik am Arbeitsplatz, lesen Sie Emails… Wie Sie mögen.

Überlegen Sie nun, wie realistisch es ist, dass Sie für die Dauer Ihrer maximalen Aufmerksamkeit – sagen wir einmal 60 Minuten – wirklich, wirklich ungestört sein können. Unterbrechungen durch andere, wie kurz und wohlmeinend sie sein mögen, sind an der Tagesordnung gerade in der Kernarbeitszeit für viele von 10 bis 16 Uhr. Diese Unterbrechungen zwingen Sie in einen unproduktiven Multitasking-Modus. Deshalb heißt es ja fokussieren, fokussieren, fokussieren.

Sagen Sie Nein zu äußeren Unterbrechungen

Andererseits leben Sie nicht auf einer Insel. Sie können diese Unterbrechungen nicht abschalten. Ab und an wollen ja auch Sie jemanden unterbrechen, um z.B. kurz eine Auskunft zu bekommen. Sie stecken in einem Dilemma.

Zum Glück ist die Lösung einfach: ** Reagieren Sie nicht sofort auf Unterbrechungen, sondern dann, wenn Sie sich selbst unterbrechen.** Sie müssen also niemanden abweisen, sondern nur vertrösten.

Das Telefon können Sie für die Dauer Ihres selbst gegebenen Taktes mal nicht beantworten. Notieren Sie nur die Nummer des Anrufers.

Und dem, der bei Ihnen persönlich auf der Matte steht, sagen Sie, “Lass mich dies noch kurz zu Ende machen. Dann bin ich gleich bei dir.” Niemand wird Ihnen das übelnehmen, wenn Sie sich verlässlich wenig später wirklich melden und ganz Ohr sind. Im Gegenteil: Man wird Sie für Ihre disziplinierte Arbeitsweise und Verlässlichkeit schätzen.

Planen Sie die unterbrechungsfreie Arbeit

Und schließlich überlegen Sie, wie lange Sie bei Ihren Aufgaben ohne Hilfe von anderen auskommen. Sie selbst haben Fragen für deren Beantwortung durch andere Sie von Ihrer Aufgabe lassen müssen oder Sie müssen sogar auf die Ergebnisse von anderen warten, bevor Sie weitermachen können. Es entstehen in Ihrer Arbeit also ganz natürlich Unterbrechungen. Sie würden also einem falschen Ideal hinterher jagen, wenn Sie versuchten, eine Aufgabe von Anfang bis Ende fokussiert abzuarbeiten.

Die Kunst besteht darin, die in den Aufgaben liegende Unterbrechungen nicht überraschend entstehen zu lassen. Planen Sie vielmehr ein wenig den nächsten Takt, um nicht in eine selbstverschuldete Unterbrechung zu laufen. Haben Sie schon alle Informationen, die Sie dafür brauchen? Und falls Sie auf eine Lücke während der Abarbeitung stoßen, versuchen Sie die Unterbrechung ans Ende Ihres Taktes zu verschieben. Fokussieren Sie sich wenn möglich erst einmal auf einen anderen Aspekt.

Fokussierung ist nötig. Unterbrechungen des Fokus sind unvermeidbar. Übernehmen Sie deshalb die Kontrolle über die Unterbrechungen. Sie gewinnen Autonomie und schon damit Zufriedenheit. Und die Produktivität steigt durch realistische Fokussierungsphasen.

Tipp #4: Arbeiten im Takt der Tomaten

Zufrieden arbeiten können Sie nur, wenn Sie nicht Spielball äußerer Umstände sind. Reagieren Sie nicht, sondern agieren sie. Sie brauchen ungestörte Zeit der Aufmerksamkeit für jeweils eine Aufgabe. Währenddessen sagen Sie Nein zu Störenfrieden. Noch besser: Versuchen Sie, erst gar nicht gestört zu werden, indem Sie das Telefon umleiten, ein „Bitte nicht stören" Schild an die Tür hängen oder sich anderweitig unzugänglich machen. Sprechen Sie das mit Ihren Kollegen und Vorgesetzten ab. Schön wäre es natürlich, wenn die auch mitmachten. Vielleicht finden Sie sogar gemeinsame störungsfreie Zeiten? Ihre Arbeit und Ihre Zufriedenheit werden es Ihnen danken.

Fokus in solcher Weise über längere Zeit aufrecht zu erhalten, ist allerdings schwer, sehr schwer. Je länger Sie sich zurückziehen, desto schwerer wird es, Störer zu vertrösten. Darüber hinaus strapazieren lange störungsfreie Zeiten aber auch Ihre eigene Aufmerksamkeit. Wir alle brauchen Pausen in der Arbeit, um unsere „Aufmerksamkeitskraft" zu regenerieren.

Um nun Kontrolle in Sachen Unterbrechungen zu übernehmen, um ins Agieren zu kommen, empfehlen wir Ihnen, Ihre Arbeit zu takten. Wechseln Sie zwischen Arbeit und Pause bzw. zwischen Aufgaben in fixem Zeitabstand. Mit einem Augenzwinkern nennen wir das den “Takt der Tomaten”; und erklären anderen, dass wir u.U. nicht gleich auf sie reagiere, weil wir “an einer Tomate arbeiten”.

Die Tomaten-Methode

Was soll das denn sein, der "Takt der Tomaten"? Es ist eine Anspielung auf die so genannte Pomodoro Technique, auf Deutsch: die Tomaten-Methode [1, 2, 3]. Der Italiener Francesco Cirilli hat sie vor einigen Jahren erfunden, um sich selbst aus dem Hamsterrad unbefriedigender Arbeit unter Zeitdruck und ohne Fokus zu befreien. Ihren Namen hat sie bekommen, weil Francescos Mittel zur Befreiung eine Eieruhr in Form einer Tomate war.

Im Kern ist die Methode trivial:

  1. Sie konzentrieren sich auf eine Aufgabe für 25 Minuten.
  2. Dann machen Sie eine Pause von 5 Minuten.
  3. Weiter bei Schritt 1.

Im Grunde war es das. Der Rest sind Feinheiten, aber nicht unwichtig, zum Beispiel:

  • Nach jeder vierten Konzentrationsphase legen Sie eine Pause von 15 Minuten ein.
  • Wenn Sie in einer Konzentrationsphase wirklich unterbrochen werden, dann beenden Sie diese vorzeitig. Nach der Unterbrechung beginnen Sie eine neue Konzentrationsphase. Unterbrechungen könnten sein, dass Sie zum Chef gerufen werden oder einem Kunden am Telefon 5 Minuten etwas erklären müssen oder etwas Dringendes vergessen haben, das unaufschiebbar sofort erledigt werden muss.
  • Wenn Sie in einer Konzentrationsphase abgelenkt werden, dann machen Sie einen Strich auf einer Liste. Ablenkungen könnten ein kurzer Blick auf eine eingehende Chat-Nachricht sein oder die kurze Auskunft an einen Kollegen, der den Kopf durch die Tür steckt, um nach dem Verbleib eines Ordners zu fragen.

Mit der Tomaten-Methode wird Ihr Arbeitstag zu einer Kette von „Aufmerksamkeitsperlen" – liebevoll „Tomaten" genannt – in der Größe von 25 Minuten:

So ordentlich strukturiert könnten Sie also arbeiten.

Zweck der Tomaten-Methode ist, dass Sie Fokus herstellen. Sie sollen sich auf das, was Sie tun, konzentrieren. Wirklich konzentrieren. Als realistische Zeitspanne haben sich dafür 25 Minuten herausgestellt1. In 25 Minuten lässt sich konzentriert etwas schaffen. Wenn man Sie lässt, schaffen Sie es auch, sich die vollen 25 Minuten lang zu konzentrieren. Andererseits lassen sich allerlei Unterbrechungen 25 Minuten (bzw. im Mittel ja nur 12,5 Minuten) hinauszögern. Das reicht vom Toilettenbesuch bis zum Gespräch mit Kollege oder Kunde.

Am besten erklären Sie Ihrem Umfeld, dass Sie zukünftig Ihre Produktivität und Zufriedenheit mit der Tomaten-Methode steigern wollen. Laden Sie auch andere dazu ein. Es macht Spaß, sich gegenseitig daran zu erinnern, „an Tomaten zu arbeiten" oder „Tomatensalat zu machen". Dann fällt es Ihnen auch leichter zu sagen, „Ich bin gleich bei dir. Aber lass mich noch kurz meine Tomate zu Ende bringen." Nur so kommen Sie ja aus der grassierenden Unterbrechungskultur heraus.

Kontrollieren Sie Ihre Zeit. Lassen Sie sich nicht von anderen kontrollieren. Agieren Sie, statt immer nur zu reagieren. Ihre Verlässlichkeit wird steigen. Die Qualität Ihrer Arbeit wird steigen.

Allerdings: Oben habe wir “könnten” geschrieben, weil der Arbeitsalltag Sie natürlich nicht einfach in Ruhe Ihre Tomaten machen lässt. Auch in einem sehr verständigen Umfeld werden Sie das Ideal von 14 oder 16 Tomaten pro Tag (je nach Arbeitstaglänge) kaum erreichen. Realistisch sind zunächst vielleicht nur 4 Tomaten, mittelfristig dann 8 oder 10. Wichtig ist, dass Sie die Entwicklung der geschafften Tomaten beobachten.

So weh es Ihnen auch tun mag, seien Sie dabei konsequent und zählen Sie unterbrochene Tomaten nicht! Sie würden damit der Unterbrechungskultur Vorschub leisten. Ein realistischer Tag sieht dann zunächst vielleicht so aus:

Sie schaffen nur 5 Tomaten von 16 möglichen.

  • Immer wieder beginnen Sie Tomaten, müssen die jedoch wegen Unterbrechungen abbrechen.
  • Immer wieder beginnen Sie gar nicht erst eine Tomate, weil Sie Angst haben, sie nicht durchziehen zu können oder nicht wissen, wie lange eine Arbeit dauert, oder es sich um Tätigkeiten handelt, die „zwischen Tür und Angel" stattfinden.
  • Morgens früh und abends nach dem üblichen Arbeitsende schaffen Sie am ehesten Ihre Tomaten.

Das sieht frustrierend aus, oder? Aber verzagen Sie nicht! Gerade am Anfang ist ein solcher Tomatensalat normal. Wenn Sie Ihre Tage in ähnlicher Weise protokollieren, bekommen Sie erstmalig einen fassbaren Eindruck davon, warum Sie bisher so unproduktiv und unzufrieden waren. Eine Erkenntnis gewinnen Sie dadurch unmittelbar: Dass Sie bei so wenig konzentrierter Zeit, bei so zerstreuter Aufmerksamkeit nur wenig schaffen, ist doch kein Wunder. Unzufriedenheit entsteht, weil Sie Aufmerksamkeitsphasen nicht verlässlich herstellen können. Sie wissen einfach nicht, wann Sie wie viel wegschaffen können.

Führen Sie also ein „Tomatentagebuch". Tragen Sie pro Tag mindestens die Zahl der geschafften Tomaten ein. Ein Blatt Papier mit einem Zeitstrahl für ein paar Wochen reicht, auf dem Sie die geschafften Tomaten pro Tag als kleine Säulen eintragen. Oder benutzen Sie Excel, wenn Ihnen das näher liegt:2

Wichtig ist, dass Ihnen Ihr Messwerkzeug nicht im Wege steht. Sie sollen möglichst einfach einen Überblick über Ihre Tomatenentwicklung bekommen. Geben Sie sich Ihr eigenes Produktivitätsfeedback, wenn Ihnen sonst niemand hilft. Es ist doch so simpel: Wirklich produktiv, d.h. Ihr Geld wert, sind Sie nur, wenn Sie sich auf Ihre Aufgaben konzentrieren. Wie sehr Sie das de facto tun, zeigt Ihnen die Tomatenstatistik. Solange Sie dort unter 8-10 Tomaten pro Tag sind und der Trend nicht nach oben deutet, bleiben Sie hinter dem zurück, was Sie könnten und sollten.

Wenn Sie produktiver werden wollen, müssen Sie immer wieder Abstand einnehmen zu dem, was Sie tun. Erinnern Sie sich an Tipp #1? Nur so kommen Sie zu einer Beobachtung Ihrer Arbeit und können deren Kurs korrigieren. Der Takt der Tomaten-Methode ist dafür ein ganz einfaches Mittel. Sie müssen niemanden fragen, ob Sie es einsetzen dürfen. Fangen Sie also gleich an. Ein Timer findet sich in jedem Handy; es muss ja nicht gleich eine Tomatenuhr sein.

Und dann versuchen Sie, 25 Minuten bei einer Sache zu bleiben. Das wird am Anfang nicht ganz leicht sein. Doch das kommt mit der Zeit.

Nehmen Sie sich nicht zu viel vor. Zunächst könnten Sie die Tomaten-Methoden zum Beispiel auf die unliebsame Buchhaltung beschränken; oder Sie helfen sich, auf die Vorbereitung einer Präsentation zu konzentrieren. Jeden Tag ein paar Tomaten auch nur auf eine Aufgabe angewandt, werden Sie voran bringen.

Endnoten

[1] Wikipedia, Pomodoro Zeitmanagement

[2] Staffan Nöteberg, Die Pomodoro-Technik in der Praxis: Der einfache Weg, mehr in kürzerer Zeit zu erledigen

[3] Francesco Cirilli, The Pomodoro Technique – Das Buch vom Erfinder

Tipp #5: Bewusstes Multi-Tasking

Die Tomaten-Methode ist ein pragmatischer Ansatz, um unvermeidliche Unterbrechungen und Fokus unter einen Hut zu bringen. Zusätzlich erhalten Sie damit ein simples Messinstrument für Ihre Produktivität. Denn unter der Annahme, dass nur konzentrierte Arbeit auch hochwertige, produktive Arbeit ist, sagt die Zahl der pro Tag geschafften Tomaten etwas darüber aus, wie sinnvoll Sie Ihre Arbeitszeit einsetzen.

Alles könnte jetzt gut sein, oder? Sie nehmen sich eine Aufgabe vor und arbeiten Sie in einer Sequenz von Tomaten ab, bis sie fertig ist. In jeder Tomate konzentrieren Sie sich. Zwischen den Tomaten bedienen Sie kurz die, die Sie sonst gestört hätten. Ihre Arbeitswoche könnte so aussehen:

Für jede Aufgabe reihen Sie solange Tomaten aneinander, bis sie erledigt ist. Das sichert die schnellstmögliche Aufgabenerledigung zu. Zwar zerhacken Sie die Aufgaben in Tomatenstücke; Sie konzentrieren sich also nicht in einem Rutsch auf die Abarbeitung, weil das ohnehin illusorisch ist.

In Bezug auf eine Folge von Tomaten lassen Sie sich jedoch nicht beirren. Erst die eine Aufgabe, danach die nächste Aufgabe. Das hatten wir in Tipp #2 empfohlen. Widmen Sie Ihre Aufmerksamkeit immer nur einer Aufgabe – wenn schon nicht in jedem Moment Ihres Arbeitstages, so doch wenigstens über eine Folge von Tomaten hinweg.

So lautet auch weiterhin meine Empfehlung. Versuchen Sie so zu arbeiten. Wir arbeiten in diesem Moment auch in der Weise. Diesen Text schreiben wir im Tomatentakt bis er fertig ist. Und erst dann nehmen wir uns eine andere Aufgabe vor.

Leider ist diese Vorgehensweise für viele Arbeitsplätze nicht realistisch. Sie setzt nämlich voraus, dass die Aufgaben eine überschaubare Größe haben und zum Beispiel nicht länger als 1-2 Tage bzw. 10-20 Tomaten benötigen. Viele Aufgaben haben andere Charakteristika:

  • Aufgaben dauern so lange, dass ihre Erledigung andere Aufgaben über Gebühr verzögern würde. Beispiel: Sie schreiben ein Buch; das dauert Monate. Währenddessen können Sie andere Aufgaben nicht liegenlassen.
  • Aufgaben dauern eigentlich nicht lange, können aber trotzdem nicht erledigt werden, weil auf etwas gewartet werden muss. Beispiel: Für das Angebot brauchen Sie Daten aus der Technik; darauf warten Sie einen Tag.
  • Aufgaben können nicht abgeschlossen werden, weil sie wiederkehrend sind oder quasi kontinuierlich anfallen. Beispiel: Bei Freiberuflern wie Andrea Kaden oder mir sind Buchhaltung und Vertriebsaktivitäten Aufgaben, die nie abgeschlossen sind. Wir dürfen sie nicht aus dem Blick verlieren, sie sind andererseits aber auch nicht unsere Hauptaktivitäten.

Multi-Tasking to the rescue

Es ist bitter, doch es hilft nichts: Multi-Tasking ist nötig, wenn Sie realistisch produktiver und vor allem zufriedener werden wollen. Mein Tipp #5 lautet daher: Gehen Sie ganz bewusst in den Multi-Tasking Modus. Das bisher Gesagte zu den Problemen von Multi-Tasking und zur Wichtigkeit von Fokus bleibt unangetastet. Es muss allerdings mit einem realistischen Arbeitsalltag überein gebracht werden.

Wie kommen nun aber Fokus und Multi-Tasking zusammen? Durch Tomaten und Töpfe.

Ja, es ist wirklich ein bisschen wie beim Kochen. Dort schließen Sie zwar manche Aufgaben nacheinander ab. Andere müssen jedoch quasi parallel erledigt werden. Wenn mehrere Töpfe auf dem Herd stehen und auch noch etwas im Ofen ist… dann müssen Sie Ihre Augen überall haben, sonst brennt das eine an oder das andere kocht über.

Übersetzt in den Arbeitsalltag bedeutet das: Sie können eben nicht alle Aufgaben einfach nur nacheinander abarbeiten wie im obigen Bild. Produktiv sein heißt vielmehr, kontrolliert Ihre Aufmerksamkeit zwischen Aufgaben wandern zu lassen. Der wichtigste Tipp, den wir Ihnen bisher gegeben haben, ist deshalb #3: Befreien Sie sich aus der Unterbrechungskultur. Lassen Sie sich nicht durch Unterbrechungen zwischen Aufgaben hin und her stoßen, sondern takten Sie sich selbst, d.h. wechseln Sie zwischen Aufgaben, wenn es _ Ihnen _ passt. Das ändert allerdings nichts daran, dass Sie immer eine Menge Aufmerksamkeitsheischendes auf dem Zettel haben.

Der Trick ist, dass Sie zunächst ihre Aufgaben sammeln und in Töpfe tun. Manche Aufgaben sind für sich ein eigener Topf, andere kommen zusammen in einen Topf. Hier sind einige meiner Töpfe:

Dazu ein paar Worte zur Erklärung:

  • Die Buchhaltung ist eine unendliche Aufgabe. Belege erfassen, Rechnungen schreiben, Umsatzsteuervoranmeldung machen. Irgendwas ist immer. Ein Abgabetermin ist auch jeden Monat. Dieser Topf braucht täglich oder wöchentlich nicht viel Aufmerksamkeit, doch wir dürfen ihn nicht aus den Augen verlieren.
  • Das Büro ist eine ebenso unendliche Aufgabe. Irgendwas ist immer. Post von einer Versicherung, der Hausverwaltung, der Bank, einem Verein. Da muss gesichtet, aussortiert und der Rest gescannt werden. Wir haben ja ein papierloses Büro. Täglich ist dafür nicht viel Aufmerksamkeit nötig, doch selbst eine Woche an unerledigter Büroarbeit kann zu einem sehr nervigen Haufen an Arbeit führen.
  • Während bei Buchhaltung und Büro eher alles immer und immer wieder passiert und so im Grunde nie abgeschlossen ist, scheint der Topf Bloggen handfester. Jeder Blogartikel ist eine klar umrissene Aufgabe. Den können wir anfangen, dann arbeiten wir 2-4 Tomaten daran, fertig. Allerdings pflegen wir mehrere Blogs und schreiben dort immer wieder. Das heißt, der Topf kommt auch nie wirklich runter von meinem Aufgabenherd.
  • Anders der Topf für das Trainingskonzept. Das müssen wir nur einmal erarbeiten – dann kommt der Topf weg. Ebenso das Buchprojekt, auch wenn es wesentlich mehr Zeit als ein (Blog)Artikel oder das Trainingskonzept braucht. Eine einmalige Sache.

Das unumgängliche Multi-Tasking besteht nun darin, mit den Tomaten jedes Tages diese Töpfe abzuarbeiten.

  • Buchhaltung, Büro, Vertrieb können wir nie beenden. Wir müssen uns ihnen nicht jeden Tag widmen, doch wir dürfen sie auch nicht vernachlässigen. Derzeit nehme wir uns 1 Tomate Büro für jeden Tag vor und 2-3 Tomaten für den Vertrieb alle paar Tage und 2 Tomaten pro Woche für die Buchhaltung.
  • Bloggen ist auch eine Aufgabe, die wir nicht zu lange vernachlässigen dürfen. Es gehört zu meinem Marketing als Freiberufler. Also sind 6-8 Tomaten pro Woche im Schnitt für 2 Blog-Artikel reserviert. Die arbeiten wir jeweils nacheinander ab.
  • Das Trainingskonzept braucht ca. 4-6 Tomaten in den nächsten 4 Wochen. Wenn wir ihm keine genauere Priorität geben, dann wird es wohl erst zum spätestmöglichen Zeitpunkt auf den Herd kommen. Die Tomaten werden wir dann aber nacheinander abarbeiten.
  • Artikel müssen jeden Monat an Verlage geliefert werden. Mit ihnen verdienen wir einen Teil unseres Geldes. Dafür sind pro Monat ca. 40 Tomaten nötig. Die konzentrieren wir gewöhnlich in einer Woche und arbeiten sie auch recht konsequent nacheinander ab.
  • Und das Buch? Wir haben nicht mal eine Vorstellung, wie viele Tomaten dafür nötig sind. Deshalb sehen wir nur zu, dass wir es nicht vergessen zwischen all den anderen Töpfen. Pro Woche bemühen wir uns, mindestens 10 Tomaten darauf zu konzentrieren.

Eine realistische Woche voller Tomaten sieht für uns also eher so aus:

Sie sehen, es gibt sowohl längere Sequenzen von Tomaten zur selben Aufgabe (z.B. Bloggen am Montag früh, Trainingskonzept am Freitag) wie auch Folgen von Tomaten zu unterschiedlichen Aufgaben (z.B. Büro, Vertrieb, Buchhaltung am Montag und Dienstag).

Ich habe mir sogar eine Unterbrechung der längeren Aufgabe, einen Artikel zu schreiben, erlaubt. Warum nicht einen Hänger in der Kreativität nutzen, um eine andere Aufgabe voran zu bringen?

Apologie des Multi-Tasking

Was Sie hier sehen, ist unzweifelhaft Multi-Tasking. Das ist nicht schön – doch es geht eben nicht anders. Erstens können wir Büro, Artikel, Buchhaltung nicht aufschieben, bis wir mal das Buch fertig haben. Zweitens können wir noch nicht einmal konzentriert am Buch arbeiten, bis es fertig ist. Wir brauchen Inkubationsphasen, in denen wir es liegen lassen und etwas anderes tun. Oder wir können nicht ständig mit Vertrieb beschäftigt sein, weil wir da auf Entscheidungsprozesse bei Kunden und Interessenten warten müssen. Warum also nicht zwischenzeitlich einen Blogbeitrag schreiben?

Wer dogmatisch darauf besteht, dass Multi-Tasking zu vermeiden ist, der lebt im Elfenbeinturm. Das bedeutet jedoch nicht, dass Multi-Tasking nicht die Nachteile hätte, die wir weiter oben so ausführlich beschrieben haben. Die Vermeidung dieser Nachteile hat nur manchmal einen geringeren Wert als etwas anderes.

Multi-Tasking ist also nicht zu vermeiden. Alle nicht trivialen Rollen in Unternehmen haben so viele und so unterschiedliche Aufgaben zu bewältigen, dass eine konsequente Abarbeitung ausschließlich nacheinander erstens zu untragbaren Verzögerungen führen würde und zweitens Ressourcen über das nützliche Maß hinaus unausgelastet ließe.

Eine Schlange für alle Schalter in der Post oder beim Check-In am Flughafen mag gerecht sein. Alle werden streng nach ihrer Ankunftszeit in der Warteschlange bedient. Niemand muss sich Sorgen machen, in der Schlange zu stehen, die dann doch wieder am langsamsten vorankommt.

Dennoch gibt es im Supermarkt oder auch am Flughafen Expressabfertigungen. Warum? Weil Aufgaben unterschiedliche Prioritäten haben. Was nur kurz dauert oder besonders wichtig ist, darf vorgezogen bzw. dazwischen geschoben werden. Anderes, das ohnehin lange braucht, kann auch noch etwas länger dauern.

Bei mehreren Abfertigungspunkten braucht jede einzelne Aufgabe allerdings gar nicht einmal länger in die Erledigung. Wer an einem Schalter beim Check-In angekommen ist, wird maximal schnell bedient. Der Schaltermitarbeiter fokussiert sich ja auf diesen Fluggast. Insgesamt, d.h. vom Einreichen in die Warteschlange bis zum Ende der Abfertigung kann es jedoch dauern.

Anders ist es bei Ihnen. Sie sind nur eine „Ressource", die für alle wartenden Aufgaben verantwortlich ist. Wenn Sie manche bevorzugt behandeln, müssen andere warten. Solange das jedoch kontrolliert geschieht, im vollen Bewusstsein der konkurrierenden Aufgaben und ihrer Prioritäten, wenn Sie also einen Überblick über Ihre Töpfe haben und sich selbst mit Tomaten takten, um zumindest phasenweise wirklich konzentriert zu arbeiten… dann ist das ok. Und es ist sogar unvermeidlich. Besonnenes Multi-Tasking gehört für uns zu professioneller Arbeit.

Tipp #6: Leichter starten mit Accountability Partner

Autorin: Andrea Kaden

Wer kennt das nicht: Im Laufe eines Tages, eines Jahres oder Lebens nimmt man sich immer wieder vor, Handlungs -, Verhaltens - oder Arbeitsweisen zu ändern, loszulassen und neu zu lernen. Und fast ebenso häufig müssen sich die meisten von uns eingestehen, die eigenen Vorsätze nicht umgesetzt zu haben. Das frustriert, jedes Mal aufs Neue.

Im Privatleben betrifft dieses Phänomen die berühmten guten Vorsätze, die alle Jahre wieder zum Jahreswechsel Hochkonjunktur haben und meist Ende Januar schon wieder im Sande verlaufen sind: „Ich fange endlich mit einem Sportprogramm an!" oder „Schluss mit dem Rauchen im neuen Jahr!"

Im Berufsleben berichten von diesem Erleben immer wieder Selbständige und Angestellte gleichermaßen:

Kundentermine vor Ort oder Deadlines, die direkt mit einem Kundenprojekt und also mit der Kernkompetenz des Freiberuflers oder Angestellten zu tun haben, stellen in der Regel kein Problem dar.

Aber neben den Arbeiten, die man für Kunden oder Kollegen oder den Chef zu erledigen hat, gibt es zahlreiche Tätigkeiten im Job, die man für sich erledigen oder auch in Angriff nehmen möchte. Aufgaben, die man sich selbst vorgenommen hat, ohne dass es eine im Außen begründete Notwendigkeit oder einen Termin dafür gibt.

Bei Selbständigen betrifft das häufig das Thema Akquise. Dazu können Social Media Aktivitäten oder auch Nachfasstelefonate gehören. Für viele Freiberufler ist auch das Thema Buchhaltung oder Büroorganisation im Allgemeinen ein rotes Tuch. Oder eben auch die Veränderung hin zu mehr Produktivität und Zufriedenheit.

Doch selbst wenn es für all diese Themen keinen direkten dringenden Termin gibt, werden Sie früher (Buchhaltung) oder später (Akquise) zu einem schwerwiegenden Problem, wenn man sich ihnen nicht widmet. Bis das Problem akut wird, kommt erschwerend hinzu, dass es viele Betroffene permanent belastet. Am Feierabend oder am Wochenende kreist im Kopf „Ich wollte, müsste doch eigentlich….." und von Tag zu Tag wird der Angang schwerer.

Für Angestellte ist in diesem Bereich ein häufiger Vorsatz z.B.: ein klärendes Gespräch mit Chef oder Kollegen zu führen, sich fachlich weiterzubilden, endlich „Nein sagen" zu lernen oder mindestens einmal die Woche pünktlich nach Hause zu gehen. Viele Angestellte wissen oder ahnen auch, dass sie ihr persönliches Zeitmanagement verbessern möchten, haben bereits Bücher gelesen und Seminare besucht, schaffen es aber im hektischen Alltag nicht einmal, täglich für fünf oder zehn Minuten zu reflektieren – obwohl das eine Grundvoraussetzung ist, um überhaupt irgendeinen Veränderungsprozess anzustoßen (siehe Tipp #1).

Dieses beständige, immer wieder nicht Einhalten der eigenen Vorsätze macht auf Dauer keine gute Laune, ist dem Selbstbewusstsein nicht förderlich und kann im schlimmsten Falle, egal ob im Berufs- oder Privatleben, das Auftreten von körperlichen und psychischen Krankheiten beschleunigen.

Wie kann man diesen Teufelskreis der sich wiederholenden persönlichen Niederlagen durchbrechen?

Es gibt aus meiner Sicht ein sehr einfaches und erstaunlicherweise so wenig genutztes Rezept. Und zugegeben, ich bin auch erst spät darauf gekommen, inspiriert von einem Beitrag auf der Konferenz der Professional Organizer in Amerika.

Die Lösung heißt: Accountability-Partner

Unterstützung auf Augenhöhe

Viele kennen aus der Personalentwicklung das Mentoring oder oder aus Kultur und Marketing das Sponsoring. Eine Accountability Partnerschaft ist dagegen meist eine Unterstützung auf Augenhöhe. Viele Menschen sagen von sich, dass sie anderen Menschen bei bestimmten Dingen gut helfen können und genau in den gleichen Dingen mit sich selbst nicht gut umgehen. Wenn sich also zwei Menschen zusammentun, die üblicherweise geneigt sind anderen besser zu helfen als sich selbst, ist das die perfekte Ergänzung und sehr gewinnbringend für beide Partner. Accountability-Partner unterstützen sich wechselseitig.

Accountability Partner kann ein Freund, ein Kollege, Kooperationspartner oder auch eine Person sein, die Sie in einem Café oder auf einer Konferenz kennengelernt haben. Es reicht, dass Sie festgestellt haben, dass Sie beide (oder auch mehrere Personen) Dinge, die Sie tun oder erreichen wollen, immer wieder vor sich her schieben – und den Wunsch haben, das nochmal mit Unterstützung anzugehen. Die Personen, die persönlichen Vorsätze, Ziele und die Branche in der die Beteiligten arbeiten, können sehr verschieden sein. Wichtig ist, dass alle Beteiligten ein Verständnis dafür haben, sich gegenseitig zu helfen.

Das heißt konkret, ein Accountability Partner schildert dem anderen, was er erreichen möchte, wie und in welcher Zeit. Es wird verabredet, welche Hilfestellung einander guttut.

Auch das kann sehr verschieden ausgestaltet sein. Accountability Partner können sich zu täglichen Telefonaten, Chats, wöchentlichen oder monatlichen Telefonaten oder Treffen verabreden. Manch eine Accountability Partnerschaft erstreckt sich dank moderner Kommunikationsmittel über Kontinente, ohne dass sich die Partner regelmäßig oder jemals (wieder) sehen.

Ich habe zum Beispiel mit meinem Kollegen und Freund Ralf Westphal für meine Accountability-Partnerschaft verabredet, dass ich einmal die Woche bloggen und auf den entsprechenden Social Media Plattformen auf meine Artikel aufmerksam mache. Kein Kunde, kein Kollege, kein Finanzamt erwartet – schon gar nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt - einen Artikel von mir. Aber mein Accountability Partner Ralf fragt danach, er „zieht" sozusagen an mir. Das wirkt.

Ich bekomme die meisten Kunden für meine Dienstleistungen als Personal Organizer und Organisationsberaterin über das Internet, ja konkret, die Menschen sagen mir, dass Sie mich gegoogelt hätten. Meine Homepage ist also mein Hauptakquisetool. Mal abgesehen davon, dass mir das Weitergeben von hilfreichen Informationen Spaß macht, ist es also auch betriebswirtschaftlich meine „heilige Pflicht", meine Homepage zu pflegen und aktuell zu halten. Zu bloggen macht mir Spaß, aber ich brauche lange für einen Artikel. Ich habe viele Themen und Ideen im Kopf, die anderen Leuten aus dem Organisationssumpf helfen könnten, aber ich schiebe das Schreiben oft vor mir her.

Mit Ralf chatte oder telefoniere ich deshalb immer kurz am Sonntag, ob es bei dem Wochenplan bleibt. Wir kontakten uns Mitte der Woche noch einmal, ob alles im Fluss ist und freuen uns am nächsten Sonntag gemeinsam über das Erreichte.

Wir beschäftigen uns beide auf verschieden Weise und in verschiedenen Branchen mit Produktivität und Unternehmensorganisation. Das ist natürlich ein Glücksfall, da wir uns auch thematisch befruchten. Ich hatte aber in einer persönlichen Angelegenheit, dem Abgewöhnen einer Verhaltensweise, auch schon eine Accountability Partnerin. Außer dem gemeinsamen Interesse die vereinbarten Ziele zu erreichen, hatten wir dort keine Gemeinsamkeiten. Es hat dennoch sehr gut funktioniert.

Meinem Accountability Partner fällt das Schreiben sehr leicht, er hat sich daher zwei Blogartikel mit den entsprechenden Social Media Aktivitäten für jede Woche vorgenommen. Daneben hat er sich für jeden Freitag ein halbes Stündchen Buchhaltung in sein Programm geschrieben. An diese Aufgaben erinnere ich ihn – und wenn er vom „Plansoll" abzuweichen droht, überlegen wir gemeinsam, wie er wieder auf Kurs kommen kann.

Seit ich Ralf als Accountability-Partner habe, klappts mit dem Bloggen.1 Sich mit jemanden, der zwar andere Themen, aber ähnlich gelagerte Probleme hat, darüber auszutauschen, spornt an und macht Freude. Inzwischen habe ich immer am Mittwoch schon meine selbst gestellten Aufgaben erledigt. Und das Ergebnis meiner Vorsätze kann ich auch noch ohne großen Aufwand in Zahlen sehen. Google Analytics machts möglich. Ich bin überzeugt, in einigen Wochen wird das wöchentliche Bloggen eine Routine sein und ich kann mit Ralf den nächsten Vorsatz angehen.

Gute Gründe für einen Accountability Partner

  1. Jemand der wöchentlich auf positive Weise an die eigenen Vorsätze erinnert, sorgt auf einfache Weise für die extra Portion Motivation und damit Produktivität. Ein Accountability Partner hilft Ihnen, sich zu fokussieren und die eigenen Ziele zu erreichen.
  2. Es beflügelt, wenn sich jemand regelmäßig für Ihre Ergebnisse interessiert und allein schon die Handlung würdigt – Mütter zählen bei solchen Vorhaben nicht☺. Manches Mal muss man ja scheinbar Banales einüben oder loslassen, das anderen Menschen ganz leicht fällt und die einem deswegen keine Anerkennung schenken. Und wir brauchen Anerkennung, insbesondere um die scheinbar schwierigen Dinge bewältigen zu können.
  3. Wenn man einen privaten oder geschäftlichen Erfolg erzielt hat, ganz gleich ob bahnbrechend oder winzig, der Accountability Partner freut sich mit.
  4. Es macht Spaß, Accountability Partner für jemand anderen zu sein. Mit eigenen Ideen, oder auch nur Nachverfolgungsanrufen- oder Treffen die Entwicklung und Fortschritt bei einem anderen Menschen zu begleiten, macht große Freude.
  5. Manchmal hat man eine Idee fürs Business, weiß aber nicht genau, ob sie tatsächlich die richtige ist und denkt sich in eine Sackgasse. Und man ahnt, dieses nur „in der eigenen Suppe schwimmen" führt nicht zu einem richtigen Ergebnis. Die eigenen Ideen aus einer anderen Perspektive zu betrachten, wäre schön. Ein Accountability Partner wird gern ehrliches Feedback geben.
  6. Wenn Sie sich einmal überrumpelt fühlen von der täglichen Hektik und gar nicht mehr wissen, wo anfangen, dann bringt ein Accountability Partner Sie zurück auf den Boden der Tatsachen. Er hilft den Kopf zu heben und den ersten Schritt aus dem Hamsterrad zu tun.

Machen Sie nun den ersten Schritt und suchen Sie sich einen Accountability-Partner oder schildern Sie uns Ihre Erfahrungen. Mehr Produktivität und Zufriedenheit sind mit einem Accountability Partner ganz sicher leichter zu erreichen.

Die Autoren

Andrea Kaden ist Professional Organizer, Beraterin und Coach für alle Themen rund um moderne Büroorganisation. Sie betreut deutschlandweit Unternehmen verschiedenster Größe und Branchen –vom Automobilkonzern bis zum Tischler um die Ecke. Andrea Kaden coacht direkt am Arbeitsplatz, gibt Workshops und hält Vorträge zu den Themen Prozessoptimierung, Datenstrukturierung für effiziente Teamarbeit und insbesondere Papierloses Büro.

Ralf Westphal ist freiberuflicher Berater, Projektbegleiter/Coach, Referent und Trainer für Themen rund um Softwarearchitektur und Teamorganisation. Er ist Autor von mehr als 500 Fachpublikationen und konzentriert sich vor allem auf Ansätze zur Strukturierung von Software für lange Lebensdauer. Seit einigen Jahren geht er in seiner Arbeit jedoch über das rein Technische hinaus. Ihn interessiert zunehmend die „softe" Seite der Arbeit im Allgemeinen. Er begleitet nun auch Teams in Veränderungsprozessen hin zu flüssigerer Arbeitsweise.

Melden Sie sich

Und nun? Melden Sie sich! Andrea Kaden und Ralf Westphal stehen Ihnen gern per Email (info@zeitgewinn-hamburg.de) oder in der Facebook Gruppe Arbeiten im Office mit System für Fragen zur Verfügung. Oder wenn Sie mehr wollen, dann können Sie mit uns auch einen Termin vereinbaren. Wir schauen uns Ihre Situation vor Ort an und überlegen mit Ihnen, wie sie sich verbessern lässt. Wir schämen uns also nicht zu sagen: Wir sind käuflich☺

Anmerkungen

Tipp #4: Arbeiten im Takt der Tomaten

1Weder die 25 Minuten „Tomatenlänge", noch die Pausendauer oder irgendetwas sollten Sie als Dogma betrachten. Experimentieren Sie. Vielleicht liegen Ihnen eher 45 Minuten pro Tomate und 10 Minuten Pause? Finden Sie es heraus. Die Tomaten-Methode hat nur ein Ziel: Sie in konzentriertes Arbeiten zu bringen.

2Es gibt natürlich inzwischen spezielle Programme, die Sie beim „Tomaten machen" unterstützen. Dort sind Timer für Tomaten und Pausen eingebaut, Sie können die Tomaten Aufgaben zuordnen und eine visuelle Auswertung gibt es auch. Wir arbeiten mit Promodoro Pro auf dem iPhone und mit My Little Pomodoro unter Mac OS X. Beide sind für kleines Geld zu haben. Kostenlose Alternativen gibt es aber auch. Hier eine Übersicht verschiedener Angebote.

Tipp #6: Leichter starten mit Accountability Partner

1Die Inhalte und das Format einer Accountability Partnerschaft kann sich natürlich ändern. Seitdem ich diesen Text geschrieben habe, habe sich meine Ziele geändert. Der Accountability Partner ist also nicht dafür da, Ziele dogmatisch zu fixieren, sondern nur die momentanen mitzutragen. Die persönliche Anpassungsfähigkeit darf nicht leiden. Wenn die Änderung eines Zieles angezeigt scheint, ist der Accountability Partner jedoch der erste Ansprechpartner, darüber zu sprechen. Er kann wertvolles Feedback geben – aber auch einmal dagegen halten.